1 Meter pro Sekunde

Ich habe genau den Moment abgepasst, in dem eine Maus mit einem riesen Sprung vor einer Katze flüchtet.

Eine kleine Beobachtung

Frühling. Ich stehe auf einer Schwemmwiese – ein Auslaufmodell der deutschen Landschaft – mit einem gelben Meer aus zarten Sumpfdotterblumen. Zwei Wildgänse rasten in der Mitte und berichten sich schnatternd von ihrem langen Flug. Der Gesang von Singvögeln bereichert die Idylle und der Frühlingsföhn lässt schwache Windwirbel an meinen Ohren herumtanzen. Ich bin zufrieden und fühle mich Willkommen in dem kleinen Paradies.

Nicht allzu fern tönt eine Autobahn und umhüllt das friedliche Grün mit einem permanenten Rauschen. Tag und Nacht, unablässig. Ein Motorrad heult auf – endlich Vollgas. Die Wiese wirkt unruhig. Vögel brechen hastig auf, die Wildgänse verstummen. Ich fühle mich gestresst.

Das Rauschen entsteht durch die Reibung der Reifen auf dem Asphalt und durch den Antrieb des Verbrennungsmotors. Umso stärker der Motor, umso höher der Lärmpegel. Dabei tönt ein Lkw so laut wie 20 Pkws. In Deutschland sind 59 Mio. Kraftfahrzeuge angemeldet, davon 3,6 Mio. Lkws. Sie sind das Blut der deutschen Wirtschaft, denn jährlich rauschen mit ihnen 3,1 Mrd. Tonnen Güter über ein Adern ähnliches Autobahnnetz von 13.192 km. Es rühmt sich, das viertgrößte der Welt zu sein.

Ständiger Lärm lässt nicht nur Vögel lauter singen, sondern treibt auch unseren Blutdruck nach oben. Die Folge sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Schlaganfall, Herzinfarkt, permanenter Stress.

Am Ende meiner Runde halte ich mir meine Ohren zu. Während ich noch einmal einen Blick auf die Schwemmwiese werfe, lausche ich dem Rauschen meines Blutstroms, der mit einem Meter pro Sekunde durch meine Adern schießt und mich mit Nährstoffen versorgt. Ähnlich wie Lkws, jedoch natürlich.

Auf dem Heimweg stelle ich mir die Frage, ob Lärm wohl auch einen Einfluss auf Pflanzen haben kann?


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